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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.02.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 360/08
Rechtsgebiete: StPO, GVG
Vorschriften:
StPO § 119 Abs. 3 | |
StPO § 119 Abs. 4 | |
StPO § 126 | |
StPO § 126 Abs. 2 S. 2 | |
StPO § 304 Abs. 1 | |
StPO § 473 Abs. 1 | |
GVG §§ 23 ff. |
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer ist durch Urteil der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 12. Juni 2008 (46 KLs 4/08) wegen erpresserischen Menschenraubes zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Dem lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer und mehrere Mittäter einen Unternehmer entführt und die Zahlung eines Lösegeldes in Höhe von 200.000,- € erpresst hatten. Der Beschwerdeführer hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt, über die der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden hat. Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt I. Anlässlich eines Besuches am 09. September 2008 wollte seine Mutter dem Beschwerdeführer ein Flachbildschirmfernsehgerät (20 Zoll) mitbringen, dessen Annahme und Aushändigung an den Beschwerdeführer von den zuständigen Bediensteten abgelehnt wurde. Seinen Antrag auf Aushändigung des Gerätes hat der Vorsitzende der 6. großen Strafkammer durch seine Entscheidung vom 29. Oktober 2008 abgelehnt und dies im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Bereichsleiters Untersuchungshaft der Justizvollzugsanstalt I vom 14. Oktober 2008 mit den Missbrauchsmöglichkeiten solcher Geräte begründet. Dagegen richtet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vom 07. Dezember 2008. Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, durch die Versagung der Aushändigung des Gerätes sei der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, da andere Gefangene solche Flachbildschirmgeräte besäßen. Zudem habe er nicht vor, die Missbrauchsmöglichkeiten tatsächlich zu nutzen; zudem sei eine Verplombung des Fernsehgerätes ohne großen Aufwand möglich. Wegen der weiteren Begründung wird auf die privatschriftliche Beschwerdeschrift vom 07. Dezember 2008 Bezug genommen.
Der Vorsitzende der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Hagen hat der Beschwerde unter dem 15. Januar 2009 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat unter dem 26. Januar 2009 Stellung genommen und beantragt wie beschlossen.
II.
1)
Die Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Für die Entscheidung über die Gestattung der Aushändigung des Fernsehgerätes ist der Haftrichter nach §§ 119 Abs. 3 und 4, 126 Abs. 2 S. 2 StPO zuständig, da es um die gerichtliche Überprüfung von Beschränkungen in Bezug auf ein individuelles Haftverhältnis geht und nicht der Bereich der allgemeinen Vollzugsorganisation betroffen ist. Es handelt sich insoweit nicht um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. GVG (vergleiche zu der Abgrenzung ausführlich: OLG Hamm, Beschluss vom 12. Oktober 2004 - 1 Vas 51/04 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
2)
Die Beschwerde war als unbegründet zu verwerfen. Der Senat nimmt zunächst Bezug auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die durch das Beschwerdevorbringen nicht ausgeräumt werden.
Es ist allgemein bekannt, dass Fernseher mit einem Flachbildschirm im Gegensatz zu herkömmlichen Röhrengeräten aufgrund vorhandener Multimediafunktionen eine Vielzahl abstrakter Missbrauchsmöglichkeiten gerade im Hinblick auf Datenübermittlung und -speicherung bieten (OLG Karlsruhe, StV 2006, 540). Nach nahezu einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung läuft die Benutzung von Elektrogeräten, die Datenverarbeitungs-, - übermittlungs- und -speicherfähigkeiten aufweisen, dem Zweck der Untersuchungshaft sowie der Anstaltsordnung im Sinne der §§ 119 Abs. 3 und 4, 126 StPO zuwider, weil die gespeicherten oder übertragenen Daten in der Anstalt mit zumutbarem zeitlichem Aufwand nicht hinreichend kontrolliert werden können (OLG Karlsruhe, StV 2006, 540; OLG Celle, Beschluss vom 05. Januar 2001
- 2 Ws 259/00 -, zitiert nach juris Rn. 5; KG Berlin, Beschluss vom 01. Februar 1999 - 1 AR 1352/98 - 4 Ws 298/98, 4 Ws 299/98 - zitiert nach juris Rn. 4; vergleiche auch: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31. März 2003 - 2 BvR 1848/02 -, zitiert nach juris Rnrn. 5, 10; OLG Hamm, Beschluss vom 05. November 1989 - 1 Vollz (WS) 156/89 -, zitiert nach juris Rn. 15; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2003, 347; KG Berlin, Beschluss vom 19. April 2007 - 2/5 Ws 342/06 Vollz -, zitiert nach juris Rn. 7 - jeweils zum Strafvollzug). Dies führt aber nicht zu einem generellen Benutzungsverbot solcher Flachbildschirmgeräte durch einen Untersuchungsgefangenen. Vielmehr muss die Justizvollzugsanstalt prüfen, ob der Missbrauchsgefahr durch die der Justizvollzugsanstalt zumutbaren Kontrollmittel im Rahmen der ordnungsgemäßen Aufsicht begegnet werden kann, zum Beispiel durch die fachmännische Versiegelung oder Verplombung von Schnittstellen oder durch andere technische Maßnahmen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31. März 2003 - 2 BvR 1848/02 -, zitiert nach juris Rn. 4; OLG Karlsruhe, StV 2006, 540). Mit dieser Möglichkeit haben sich sowohl die Justizvollzugsanstalt als auch der Vorsitzende der Strafkammer auseinander gesetzt und sie nachvollziehbar verneint. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot aus Artikel 3 Abs. 1 GG - wie von dem Beschwerdeführer gerügt - ist demnach nicht ersichtlich.
Auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt nicht vor. Besondere Gründe in der Person des Beschwerdeführers, die seinem Interesse an der Benutzung eines Flachbildschirmfernsehers erhöhtes Gewicht verschafften und bei der Bestimmung des zumutbaren Kontrollaufwandes durch die Justizvollzugsanstalt zu berücksichtigen wären, hat er selbst nicht angeführt und sind auch sonst nicht erkennbar (vergleiche dazu: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31. März 2003 - 2 BvR 1848/02 -, zitiert nach juris Rn. 4 mit weiteren Nachweisen).
Auch das Gebot der Gleichbehandlung aus Artikel 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Soweit - wie der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift anführt - andere Insassen Flachbildfernseher haben, ist für den Senat nicht erkennbar, ob es sich insoweit um vergleichbare Fälle handelt. Zudem führte eine nicht rechtmäßige Erlaubnis in diesen Fällen nicht dazu, dass dem Beschwerdeführer ebenfalls aus diesem Grunde die Erlaubnis zur Aushändigung des begehrten Fernsehgerätes zu erteilen wäre, da es eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht gibt.
Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift anführt, er werde die möglichen Missbrauchsfunktionen des Gerätes nicht nutzen, weist der Senat darauf hin, dass es darauf nicht ankommt. Um die Einbringung eines Elektrogerätes mit diesen technischen Möglichkeiten zu versagen, kommt es ausschließlich auf dessen generelle Missbrauchseignung an, da nicht auszuschließen ist, dass der Untersuchungshäftling durch Mitgefangene zu einer manipulativen Nutzung veranlasst wird (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 31. März 2003 - 2 BvR 1848/02 -, zitiert nach juris Rn. 5; OLG Hamm, Beschluss vom 05. November 1989 - 1 Vollz (WS) 156/89 -, zitiert nach juris Rn. 19; KG Berlin, Beschluss vom 19. April 2007 - 2/5 Ws 342/06 Vollz -, zitiert nach juris Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 05. Januar 2001 - 2 Ws 259/00 -, zitiert nach juris Rn. 5).
Die Versagung des Einbringens des Flachbildschirmfernsehgerätes verletzt den Beschwerdeführer auch nicht in seinem Recht auf Informationsfreiheit aus Artikel 5 Abs. 1 GG. Zum einen hat sein Informationsrecht angesichts des von dem Flachbildschirmgerät ausgehenden Gefahrenpotentials zurückzutreten (vergleiche dazu: OLG Celle, Beschluss vom 05. Januar 2001 - 2 Ws 259/00 -, zitiert nach juris Rn. 6; KG Berlin, Beschluss vom 01. Februar 1999 - 1 AR 1352/98 - 4 Ws 298/98, 299/98 - zitiert nach juris Rn. 4). Zum anderen steht es ihm frei, ein Röhrenfernsehgerät beziehungsweise ein Flachbildschirmgerät zu benutzen, das aufgrund seiner technischen Ausstattung keine Datenübertragungs-, -speicherungs- und oder -übermittlungsfunktionen aufweist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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